Pestizide
Pestizide werden in der Landwirtschaft, im Forst aber auch in anderen Bereichen eingesetzt. Was sind Pestizide überhaupt? Was können sie und wo liegen die Gefahren? Die Antworten sind vielschichtig und komplex.
Was sind Pestizide?
Der Begriff Pestizid setzt sich zusammen aus den lateinischen Wort "pestis" (Geißel, Seuche) und "caedere" (töten). Es ist aus dem Englischen übernommen und bezeichnet Chemikalien oder Mikroorganismen, die zur Bekämpfung von "Schädlingen" oder "Lästlingen" verwendet werden. Die Pestizide richten sich gegen diverse Lebewesen, Viren und Viroide.
Welche Arten von Pestiziden gibt es?
Die Vielfalt ist riesig. Man kann je nach Herkunft und Art der verwendeten Substanzen unterscheiden:
- Natürliche Pestizide: Die Wirkstoffe werden kommen in der Natur vor. Beispiele sind Schwefel, Kupfer, Nikotin, Pyrethrum.
- Chemisch-synthetische Pestizide: Die chemischen Verbindungen der Wirkstoffe kommen nicht in der Natur vor sondern wurden im Labor künstlich erzeugt. Beispiele sind DDT, Aldrin, Chlordan.
- Lebende Organismen: Beispiele sind Viren, Bakterien oder räuberischen Insekten (sogenannte "Nützlinge") die gezielt gegen "Schädlinge" wirken.
- Herbizide gegen Pflanzen
- Fungizide gegen Pilze
- Insektizide gegen Insekten
- Molluskizide gegen Schnecken
- Rotendizide gegen Nagetiere
- Akarizide gegen Spinnentiere/Milben
- Bakterizide gegen Bakterien
- Viruzide gegen Viren
- es gibt sogar Avizide gegen Vögel...
Warum werden Pestizide verwendet?
Pestizide werden angewendet um Pflanzen gegen schädliche Einflüsse zu schützen. So können die Erträge gesteigert werden. Neben den Pflanzenschutzmitteln gehören auch Desinfektionsmittel, Tier-Arzneimittel, Holzschutzmittel und Konservierungsmittel zu den Pestiziden. Sie werden verwendet um die Gesundheit oder Materialien zu schützen. Ebenso gehören zu den Pestiziden Mittel, um Bäume gegen Wildverbiss zu schützen oder "Vergämungsmittel" um z. B. Marder von Gebäuden fernzuhalten.
Sind Pestizide gefährlich?
Hier gibt es keine einfache Antwort - denn wie bei allen chemischen Substanzen gilt: "Die Dosis macht das Gift". Wenn man bedenkt, dass man mit Schmierseife Blattläuse abtöten kann und somit auch Schmierseife ein Pestizid ist, wird trotzdem kaum jemand behaupten Schmierseife sei gefährlich. Auch die Herkunft der Stoffe sagt noch nicht automatisch etwas über die Gefährlichkeit aus. So ist etwa Tabakwasser ein hochwirksames Insektizid und auch für weitere Tiere und Menschen giftig. Es stammt aber aus der Natur und wird hier auch wieder vollständig abgebaut. Egal ob es sich um ein chemisch-synthetisches oder um ein natürliches Pestizid handelt: Vorsicht ist immer geboten!
Pestizide werden oft mit Wasser verdünnt bevor sie z. B. auf einem Feld versprüht werden. Die ursprüngliche Lösung ist deshalb viel giftiger als die angerührte Spritzbrühe. Deshalb sind Personen die oft mit Pestiziden und weiteren Chemikalien hantieren öfter von Gesundheitsschädigungen betroffen (z. B. Landwirt*innen, Coiffeur*innen, Reinigunskräfte).
Weitere Gefahren bestehen, wenn Pestizide andere Organismen treffen als eigentlich beabsichtigt. Dies geschieht wenn sie durch den Wind verdriftet werden, durch den Regen in Gewässer gespült werden oder ins Grundwasser versickern. Es geschieht auch, wenn sich Tiere im Feld verstecken während die Pestizide gespritzt werden.
Lange waren Substanzen in Gebrauch, die in der Natur nur extrem langsam abgebaut werden (sogenannte "persistent organic pollutants", POPs) wie beispielsweise DDT oder Endrin. Diese gelangten in die Nahrungskette und wurden sogar schon in der Arktis festgestellt. Durch internationale Anstrengungen wird versucht, deren Herstellung zu unterbinden.
Pestizide, deren Anwendung bei uns verboten ist werden in anderen Ländern noch angewendet - und teilweise hierzulande hergestellt. Sie gelangen dann via Importe teilweise wieder auf unsere Teller.
- Vergiftung durch unsachgemässe Handhabung (z. B. Spritzen ohne Schutzausrüstung) bei Menschen.
- Gesundheitsschädigung auch bei geringen Konzentrationen bei Menschen: Krebs, Unfruchtbarkeit, Nervenschädigungen und weitere Erkrankungen sind erwiesen.
- Vergiftung von "Nicht-Ziel-Organismen" (z. B. Bienen durch Insektizide, Amphibien die sich in Äckern verstecken, Fledermäuse die mit Holzschutzmitteln in Kontakt kommen)
- Schädigung der Biodiversität (z. B. "Insektensterben", Verringerung der Pflanzenvielfalt auf Landwirtschaftsflächen)
- Belastung von Gewässern (Schädigung von Fischen und anderen Gewässerorganismen)
- Belastung des Grundwassers (oft können Pestizide lange nach der Anwendung im Grundwasser nachgewiesen werden)
- Belastung von Böden (viele Pestizide verbleiben sehr lange im Boden)
- Belastung der Luft (viele Substanzen gelangen via Luft in andere Flächen und werden dann eingeatmet)
- Anreicherung in der Nahrungskette (Substanzen können von kleinen Tieren oder Pflanzen aufgenommen werden, diese werden von grösseren Tieren gefressen wo sich der Wirkstoff anreichert. Schlussendlich gelangen so die Stoffe z. B. via Fisch, Fleisch oder Milch in den menschlichen Körper).
Kann man Landwirtschaft ohne Pestizide betreiben?
Ja natürlich ist das ist möglich - bis etwa in die 1940er Jahren wurden in der Schweiz in der Landwirtschaft praktisch keine Pestizide angewendet. Es gibt auch moderne, produktive Anbausysteme, die auf Pestizide ganz oder weitgehend verzichten. In der Permakultur wird komplett auf die Regulierung von "Schädlingen" verzichtet. Im Biologischen Landbau wird auf chemisch-synthetisch hergestellte Pestizide vollständig verzichtet. Es werden ausschliesslich Stoffe eingesetzt, die in der Natur vorkommen. (Teilweise auch Stoffe die lange im Boden bleiben wie Kupfer und Schwefel). Somit werden also Pestizide eingesetzt aber nur "natürliche". Es wird auch in einem geringeren Ausmass "gespritzt" als in der konventionellen Landwirtschaft.
Eine auf Ertragsmaximierung ausgerichtete Intensivlandwirtschaft ist ohne chemisch-synthetische Pestizide (und ohne Kunstdünger-Einsatz) nicht möglich. Die Ernten fallen in der biologischen Landwirtschaft etwas geringer aus, sie erreichen durchschnittlich rund 80% der konventionellen Landwirtschaft.
Die Höhe der Erträge ist aber nicht nur von Pestiziden sondern auch sehr stark von der Wahl der Sorten abhängig. Es gibt bereits Traubensorten, die gegen Pilzkrankheiten weitgehend resistent sind (sogenannte Piwi-Sorten). Hier kann auf das Spritzen von Fungiziden verzichtet werden. Bei den Äpfeln sind leider viele unserer häufigsten Sorten (Elstar, Jonagold, Gala) aus der Sorte "Golden Delicious" herausgezüchtet - diese ist aber leider hochanfällig für viele Pilzkrankheiten.
Im Kanton Luzern wird eine sehr intensive Landwirtschaft betrieben. Biologischer Landbau und Permakultur machen nur rund 10% der Luzerner Betriebe aus (Schweizer Durchschnitt 15.3%), es gibt aber immer mehr Landwirt*innen die umstellen wollen.
Wer darf Pestizide anwenden?
Die Anwendung ist in der Schweiz sehr genau gesetzlich geregelt. Es gibt Substanzen, die frei erhältlich sind und solche, die nur für bestimmte Berufsgruppen oder Personen mit einer speziellen Ausbildung zugänglich sind und angewendet werden dürfen. Wichtig für die breite Bevölkerung ist die Vorschrift, dass Herbizide nicht auf Strassen, Wegen und Plätzen oder anderen nicht von einer Humusschicht bedeckten Flächen angewendet werden dürfen.