Nachhaltige Autos in der Zentralschweiz: Gas, Elektro oder bald Wasserstoff?
Seit 2015 steigt der Marktanteil alternativer Antriebe kontinuierlich. Besonders Autos mit eingebautem Elektromotor werden immer häufiger importiert. Doch wie steht es um die «erneuerbaren» Varianten in der Zentralschweiz und wie entwickelt sich das Tankstellennetz?
In St. Gallen wurde vor kurzem die erste Wasserstoff-Tankstelle in Betrieb genommen. Sogar Solarpionier Bertrand Piccard liess sich dafür einspannen, als einer der ersten Kunden sein Wasserstoffauto aufzutanken. Ich selbst geniesse nach Möglichkeit das ruhige Fahrgefühl eines Mobility-Elektroautos und konnte vor kurzem auch erste Familienangehörige vom Kauf eines Elektrofahrzeugs überzeugen.
Ich finde, es tut sich etwas im Markt. Meine selektive Wahrnehmung, dass sich alternativ betriebene Fahrzeuge langsam durchsetzen, wird sogar von den offiziellen Importzahlen gestützt. Gemäss Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure wurden im ersten Quartal 2020 erstmals über 20 Prozent Autos importiert, welche zumindest einen Elektromotor eingebaut haben.
Davon werden immerhin 5,6 Prozent der Fahrzeuge rein elektrisch angetrieben. Doch wie steht es eigentlich in der Zentralschweiz um das Thema «alternative Antriebe»? Hinkt die Zentralschweiz dem Trend nach erneuerbarer Mobilität anderen Regionen hinterher?
In vollem Bewusstsein, dass jeder nicht gefahrene Kilometer der umweltfreundlichste ist, habe ich mich auf die Suche nach erneuerbaren Antrieben begeben. Was ich dabei herausgefunden habe, sind Informationen zu bald eröffnenden Wasserstofftankstellen, ein Steuer- und Förderdschungel sowie eine traurige Wahrheit bezüglich alternativer Antriebe in der Zentralschweiz.
Verfügbare Modelle
Damit Fahrzeuge mit alternativem Antrieb gekauft werden, müssen den Verhaltensmustern angepasste Modelle auf dem Markt verfügbar sein. Gemäss der Autoumweltliste führen inzwischen 20 Autohersteller ausschliesslich batteriebetriebene Elektroautos im Sortiment.
Während rein batteriebetriebene Personenwagen vor wenigen Jahren mehrheitlich im Luxussegment angeboten wurden, sind diese momentan ab einem Listenpreis von 25’000 Franken verfügbar. Einzig im untersten Preissegment gibt es noch keine Fahrzeugmodelle mit reinem Elektroantrieb und mit vier Plätzen.
In der aktuell rasanten Entwicklung wird es wohl eine Frage der Zeit sein, bis auch Fahrzeuge in diesem Preissegment verfügbar sein werden. Wer ein wasserstoffbetriebenes Brennstoffzellen-Auto kaufen möchte, zahlt für die beiden aktuell auf dem Schweizer Markt verfügbaren Modelle gegen 90’000 Franken.
Die Autoumweltliste zeigt aber auch, dass bei den Verbrennern die Gasfahrzeuge oft den geringsten CO2-Ausstoss haben. Werden diese 100 Prozent mit Biogas betankt, sind sie praktisch CO2-neutral unterwegs. Der Marktanteil von Gasfahrzeugen betrug 2019 in Luzern jedoch bescheidene 0,2 Prozent, in Zug 0,5 Prozent.
Verkehrssteuern und Investitionsbeiträge
Ob ein ökologisches Fahrzeug gekauft wird oder nicht, macht in den Kantonen Luzern und Schwyz bezüglich Verkehrssteuern keinen Unterschied. Fahrzeuge mit Elektro-, Gas-, Wasserstoff-, Brennstoffzellen- oder Hybridantrieb werden in Luzern seit einigen Jahren nach Kilowatt besteuert.
So wird gemäss TCS-Berechnung ein Tesla Model S 75 D mit über 350 kW Leistung in Luzern etwa gleich wie ein 4,6-Liter-Motor besteuert und es fallen jährlich 902 Franken Verkehrssteuer an. Luzern kennt zudem ein Malus-System, bei dem besonders dreckige Fahrzeuge einen Abgaszuschlag von 30 Prozent der Verkehrssteuer bezahlen müssen.
Demgegenüber kennen die Kantone Zug und Uri einen Steuerbonus für Elektrofahrzeuge, weshalb in Zug für die besagten Teslas mit einer Verkehrssteuer von moderaten 250 Franken zu rechnen ist. In den Kantonen Nid- und Obwalden wird die Verkehrssteuer – zumindest in den ersten Jahren nach Inverkehrsetzung – gänzlich erlassen.
Wer ein Fahrzeug mit einem erneuerbaren Antrieb kauft oder eine Elektrotankstelle einrichtet, erhält in keinem der Zentralschweizer Kantone einen zusätzlichen Investitionsbeitrag. Einzelne Luzerner Gemeinden wie Meggen oder Hochdorf sprechen jedoch bis zu 1000 Franken für die Anschaffung von Elektro- oder Brennstoffzellenfahrzeugen.
Tankstellennetz
Eines der meistdiskutierten Themen im Hinblick auf alternative Antriebe ist das Tankstellennetz. Für wasserstoffbetriebene Brennstoffzellenautos ist in der Zentralschweiz derzeit noch keine Tankstelle in Betrieb. Meine Recherchen haben jedoch ergeben, dass sich da etwas tut.
Die Landi Sempach-Emmen wird Ende 2020 in Rothenburg die erste Agrola-Wasserstofftankstelle der Agglomeration Luzern in Betrieb nehmen. Voraussichtlich im Jahr 2021 wird Avia in Geuensee eine weitere Wasserstofftankstelle eröffnen.
Auch andere Tankstellenbetreiber und Energieversorgungsunternehmen beschäftigen sich mit dem Thema Wasserstoff, warten jedoch mit der Installation von Tankstellen noch zu. Der Grundtenor ist, dass die Technologie noch zu wenig ausgereift sei und zu schlechte Wirkungsgrade ausweise.
Bei rein batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen wird nahezu immer eine sogenannte Wallbox für das Laden zu Hause mitinstalliert. Aus diesem Grund werden die öffentlichen Elektrotankstellen mehrheitlich nur sekundär zum Laden benutzt. Trotzdem zeigt sich bei der Betrachtung des Zentralschweizer Elektrotankstellennetzes, dass auch immer mehr öffentliche Lademöglichkeiten entstehen.
Das Erdgas-Tankstellennetz ist weniger dicht als das Netz der Elektrolademöglichkeiten. Immerhin sind in der Agglomeration Luzern vier und in Zug eine Tankstelle verfügbar, welche allesamt Erdgas mit 20 Prozent Biogasanteil anbieten.
Die traurige Wahrheit
Dies lässt vermuten, dass sich wirklich etwas tut im Markt. Meine Recherche hat jedoch auch ergeben, dass die eingangs gezeigte Grafik mit über 20 Prozent in den Verkehr gebrachten Personenwagen mit Elektromotor mit Vorsicht zu geniessen ist. Erstens haben viele schwere Hybrid-Fahrzeuge einen CO2-Ausstoss, der viel höher ist als derjenige eines kleinen Benziners.
Zweitens sind reine Batteriefahrzeuge nicht per se klimaneutral. Eine Studie des Paul Scherrer Instituts zeigt, dass Batterieautos in der Schweiz die höheren Treibhausgasemissionen aus der Produktion infolge der geringeren Emissionen im Betrieb erst nach ca. 30’000 Kilometern kompensieren.
Und drittens unterliegen die von den Autoimporteuren eingeführten Personenwagenflotten gemäss CO2-Gesetz zwar einem Emissionsziel, dieses ist jedoch weit weg von klimaneutraler Mobilität. Erstmals zum Verkehr in der Schweiz zugelassene Personenwagen durften im Durchschnitt bis Ende 2019 maximal 130 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen, seit Anfang 2020 sind die Vorschriften noch strenger, erlaubt sind nur noch 95 g/km.
Immer grösser, immer schwerer
Das Ziel wurde 2019 schweizweit verfehlt. Auch in Luzern war der Durchschnitt mit 137 g/km zu hoch, in Zug lag er sogar bei 150 g/km. Und 2020 ist keine Trendwende auszumachen. Die CO2-Werte im ersten Halbjahr sind noch immer zu hoch (Luzern 134 und Zug 148 g/km CO2).
Solange Herr und Frau Schweizer mit immer grösseren und schwereren Autos auf den Strassen herumkurven möchten, bringen leider auch eingebaute Elektromotoren nicht so viel. Es bleibt zu hoffen, dass die neue Wasserstofftankstelle in Rothenburg Autofahrer mit Pionierblut zum Umstieg auf Wasserstoff animieren kann.